115 Jahre Waldfrieden feierte Geschichte in Pappenheim
Mit einer ungewöhnlichen Zeitreise hat der Heimat- und Geschichtsverein Pappenheim & Ortsteile e. V. an die Einweihung der Einfamilienhaus-Kolonie „Waldfrieden“ vor genau 115 Jahren erinnert. Die damalige Feier vom 28. August 1910 wurde in zentralen Teilen nachgestellt – samt Musik, Festrede und Blick auf ein bedeutendes Kapitel sozialer Wohnkultur.
Der Auftakt der Veranstaltung fand diesmal nicht an der Bürgermeister-Rukwid-Straße selbst statt, sondern in der städtischen Arkade in der Stadtvogteigasse – nicht zuletzt, weil es im Umfeld der heutigen Wohnanlage Vorbehalte gegenüber einer öffentlichen Feier gab. Gleichzeitig bot die Arkade mit ihrer begleitenden Ausstellung zur Ofenfabrik Glöckel und Rukwid den passenden historischen Rahmen.
Musikalisch eröffnete Alfred Maderer mit seinem Ensemble, bevor der ehemalige Bürgermeister Martin Haagen – dargestellt von Manfred Walter – auf die Bühne trat und seine historische Rede von 1910 erneut hielt. Die Festansprache gab nicht nur einen Rückblick auf die konkrete Entstehungsgeschichte, sondern war zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für eine menschenwürdige Wohnkultur.
Wohnen als soziale Aufgabe
Haagens Rede zeichnete ein eindrückliches Bild der Zeit. In den Jahren vor 1910 lebten viele Arbeiterfamilien in Pappenheim unter unzumutbaren Bedingungen – beengt, unhygienisch, oft gesundheitsgefährdend. Die Industrialisierung hatte zwar Arbeit gebracht, aber keine ausreichenden Wohnverhältnisse. Auf Initiative sozial engagierter Bürger und mit Unterstützung der Regierung entstand daher die Baugenossenschaft „Waldfrieden“. Vorbild war unter anderem die Nürnberger Gartenstadtbewegung.
Der damalige Bürgermeister betonte in seiner Rede die Bedeutung von gutem, erschwinglichem Wohnraum als Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt „Eigener Herd ist Goldes wert – Familienglück die Grundlage der Nation!“ Die Häuser seien nicht nur mit hochwertigem Baumaterial errichtet worden, sondern trügen auch in ihrer Gestaltung dem Bedürfnis nach einem würdevollen, selbstbestimmten Leben Rechnung.
Regeln für das Zusammenleben – und Verantwortung
Neben baulicher Qualität spielte auch die soziale Ordnung eine Rolle. Für die Bewohner der zwölf Einfamilienhäuser galten klare Verhaltensregeln, die das Zusammenleben regeln und den gemeinschaftlichen Charakter der Siedlung stärken sollten. Denn, eine Genossenschaft, so hieß es, müsse mit ihren Mitteln haushalten – nicht alles Wünschenswerte könne verwirklicht werden. Doch mit der gemeinsamen Verantwortung wachse auch der ideelle Wert des eigenen Heims.
Von den Wurzeln bis zur Gegenwart
Ergänzt wurde die Veranstaltung durch eine Rede der Vereinsvorsitzenden Renate Prusakow mit der Geschichte der Baugenossenschaft „Waldfrieden“ und Erinnerungen – etwa an die Familie Speckmeier, deren Vorfahre einst als erster Bewohner einzog und deren Nachkommen das Haus bis heute liebevoll erhalten. Auch die heutige Bewohnerin Adamina Mulder, die nach ihrem Umzug aus den Niederlanden ein Häuschen erwarb, wurde als lebendiges Beispiel für die andauernde Wirkung der einstigen Idee genannt.
Das 115-jährige Jubiläum endete, wie es sich für Pappenheim gehört, mit Musik und einem gemeinsamen Mittagessen im Gasthof Grüner Baum. Dass es nicht mehr dieselbe Atmosphäre ist wie im Jahr 1910, als die Einweihung noch mit Brotzeit am Schlossberg (Burghof) klangvoll endete, ist Teil des historischen Wandels. Doch das Ziel – ein gutes Miteinander und das Erinnern an gemeinsame Wurzeln – blieb spürbar.
Und so war es schließlich die Festrede des Bürgermeisters von einst, die in ihrer Klarheit und Weitsicht zeigte, wie sehr Wohnraum nicht nur Dach und Wand bedeutet, sondern Heimat, Würde und Zukunft.
Foto: Fabiola Diehl