Pappenheim im Spiegel der Europäischen Geschichte

Wie haben sich die geschichtlichen Ereignisse in Europa des 17. bis 19. Jahrhunderts auf den kleinen Ort Pappenheim ausgewirkt. Darüber hatte Hans Navratil, der Pappenheimer Ehrenbürger, Archivar und Geschichtsexperte in einem faszinierenden Vortrag im Europäischen Haus Pappenheim (EHP) viele interessante Details aus seinem reichen Wissensschatz  zu berichten.

Maria Bartholomäus konnteals Leiterin des EHP  rund 30 Besucher, unter denen sich auch 2. Bürgermeister Claus Dietz befand, begrüßen. Schon bei den Vorbereitungen mit Hans Navratil habe ihr gezeigt dass niemand anders dieses spannende historische Thems locker informativ und humorvoll zu vermitteln.
Beginnend bei der Zeit des 30-jährigen Krieges, die in Pappenheim die Erstürmung der Burg und den Durchzug von Truppen mit sich brachte, war es die Zeit der Glaubensflüchtlinge (Exulanten), die sich um 1650 vom Ennsland und 1732 von Salzburg aus in Bewegung setzten. So konnte Hans Navratil von 570 Exulanten berichten, die 1735 im Dekanatsbezirk Pappenheim sesshaft wurden. Aus den Aufzeichnungen des vormaligen Langenaltheimer Pfarrers Edmund Schöner konnte die interessante Erkenntnis gewonnen werden, dass in der Pfarrei Langenaltheim von 300 Exulanten acht Personen älter als 90 Jahre alt wurden. Nach Schöners Feststellungen wurden in der Zeit von 1634 bis 1925 10.253 Menschen in der Pfarrgemeinde geboren, von denen nur die 1925 verstorbene Rosina Kattinger älter als 90 Jahre wurde.

Viel Leid brachten die Truppendurchzüge des Spanischen Erbfolgekrieges Anfang des 18. Jahrhunderts aber insbesondere die Truppen der Napoleonischen Kriege für Pappenheim mit sich. Immer wieder kam es zu Einquartierungen bei der die Bevölkerung Soldaten der eigenen Truppen als auch Truppen Napoleons zu beherbergen und zu bewirten hatten. Die Kosten konnten bei der Stadtvogtei in Rechnung gestellt werden und wurden dann ersetzt. Aus dem Stadtarchiv Pappenheim hatte  Hans Navratil einige solcher Einquartierungsrechnungen mitgebracht und auch transkribiert. Daraus wurde deutlich, dass beispielsweise der Wirt zum Goldenen Löwen in Pappenheim für die bei ihm einquartierten „Französischen Völker“ vom 19. bis 26. November 1800 einen Kostenaufwand von 320 Gulden in Rechnung stellte. Schützend vor seine Bürger und seine Stadt stellte sich der junge Reichsgraf und Reichserbmarschall Carl Theodor zu Pappenheim über den in der Pappenheimer Fleischmannchronik zu lesen steht:

Am Sonntag darauf (6. Juli 1800) sollte eben das Schießen auf der Schießstätte beginnen, als plötzlich die Nachricht an unsern lieben Herrn kam, dass ein französischer Adjudant mit 3 Reitern in der Krone wäre.
Sogleich lief unser lieber Herr zu ihnen, hatte aber viel Mühe, mit ihnen fertig zu werden.
Er forderte anfangs 200.000 Gulden Brandschatzung und da man ihm sagte, wir liegen in der De-markationslinie (Grenzlinie), so sagte er, wolle er 40.000 fl. nehmen.
Er bekam aber nichts, sondern unser lieber Herr schrieb sogleich an den französischen Hauptgeneral Moreau, welcher sich damals in Freising befand und diesen Brief besorgte der Marschkommissär Schumm, kam auch glücklich mit einem Brief vom obigen General an, in welchem uns versichert wurde, dass wir von allen fran-zösischen Kriegslasten, solche mögen Namen haben, wie sie immer wollen, gänzlich befreit sein sollten, und diese Nachricht verkündete uns unser Herr den 10. Juli vormittags um 10 Uhr auf der Lach zu Pferd unter einer Menge Volk; denn es wurden sowohl von der Stadt, als vom Land alle Einwohner dahin berufen, damit solches jedermann hören und wissen sollte. Die meisten brachten Thränen des
Dankes. Ich und mehrere honnete Bürger bedankten uns auch bei der Frau Gräfin im Schloss.“

 

Gesellschaftliche Bewegung und Aufregung brachte die Eingliederung des Pappenheimer Landes in das Königreich Bayern im Jahre 1806. Das war auch die Zeit in der die bürgerliche Stadtgemeinde in Pappenheim an Bedeutung zunahm. „Das ist nicht von heute auf morgen gegangen“ erzählte Hans Navratil. Bis zum Jahr 1820 hat es gedauert, bis sich mit Bürgermeister, Magistratsrat und Gemeindebevollmächtigten ein bürgerliches Gremium im Gemeinwesen etabliert hatten. Navratil wusste auch zu berichten, dass es auch damals schon Neid, Missgunst und Bosheit gegen Bürgermeister und Magistrat gegeben hat. Belegt hat er das mit mehreren anonymen Schmähbriefen aus dem Stadtarchiv Pappenheim, die im Publikum zu großer Erheiterung beigetragen haben.

Schmähbrief, vermutlich aus
den 1820er Jahren

Bekanntmachung

In Pappenheim ist der schwäbische Magistrat, Der Bürgermeister ist ein Schwab. Die meisten Magistratsräte sind dumme Schwaben, der eine Polizeidiener ist ein Schwab; da heißt es „Jackele geh Du voran, du hast lange Siefele an“.
Oh Elend, die Bürger sehen es nicht ein, dass es großes Unglück für sie ist, sie sollen sie mit alten Besen runter jagen.
Ich schreib mich Herr und sucht mich einer, bin von Draußen rein.

 

Auch die Zeit des Absolutismus brachte Veränderungen in Pappenheim, als unter Reichsgraf Friedrich Ferdinand im Pappenheimer Neuen Haus (jetzt Altes Schloss) eine aufwändige Hofhaltung eingeführt und damit den Hauch der großen weiten Welt auch nach Pappenheim gebracht hatte. „Man wollte zeigen, was man hat“, erklärte Hans Navratil. Und so gab wurde unter Friedrich Ferdinand eine Tulpenzucht angelegt und eine Porzellanmanufaktur eingerichtet. Wenn der Name des Friedrich Ferdinand in Pappenheim auch oft auf seine Mätressen und 42 Kinder deduziert wird, so gibt es auch zu berichten, dass Reichsgraf Friedrich Ferdinand mit der Friedrichsvorstadt (Bahnhofstraße) die erste Wohnsiedlung außerhalb der Stadtmauern in einer Art sozialen Wohnungsbau errichten ließ. Ungewöhnlich für die damalige Zeit, schenkte der Graf Bauland an Pappenheimer Bürger, die dort Anfang des 18. Jahrhunderts ihre bis heute erhaltenen Häuser bauen durften. Von Steuern und Abgaben waren die Häuslebauer dann 30 Jahre lang befreit.

Mit der endgültigen Auflösung der Hofhaltung im Jahre 1879 endete der Vortrag Hans Navratils, den die Besucher mit sehr viel Beifall honorierten. Alle waren sich einig, dass es eine Fortsetzung geben wird, in der Pappenheim im Spiegel der der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts dargestellt werden soll. Beeindruckt von dem 2stündigen Vortrag überreichte Maria Bartholomäus, die Leiterin des EHP dem charmanten Referenten ein Präsent.